83. Änderung des Flächennutzungsplans - Sachlicher Teilflächennutzungsplan "Wind" in Rastede
Ein tiefer Eingriff in die schützenswerte Natur unserer Geestrandmoore - Ipweger Moor und Hankhauser Moor
Sachlicher Teilflächennutzungsplan "Wind" im Rahmen der 83. Änderung des Flächennutzungsplans
mit Konzentrationswirkung gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für das gesamte Gemeindegebiet (Quelle:)
Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 (2) BauGB und Beteiligung der Behörden gemäß § 4 (2) BauGB in Verbindung mit § 233 Abs. 1 Satz 2 BauGB
Zeitraum der Beteiligung der Öffentlichkeit 22.09.2023 - 23.10.2023
Stellungnahme vom NABU Rastede vom 19.10.2023
Weitere Infos zum Bauleitverfahren der Gemeinde Rastede
Sachlicher Teilflächennutzungsplan "Wind" im Rahmen der 83. Änderung des Flächennutzungsplans
mit Konzentrationswirkung gem. § 35 Abs. 3 Satz 3 BauGB für das gesamte Gemeindegebiet (Quelle:)
Beteiligung der Öffentlichkeit gemäß § 3 (2) BauGB und Beteiligung der Behörden gemäß § 4 (2) BauGB in Verbindung mit § 233 Abs. 1 Satz 2 BauGB
Zeitraum der Beteiligung der Öffentlichkeit 22.09.2023 - 23.10.2023
Stellungnahme vom NABU Rastede vom 19.10.2023
Weitere Infos zum Bauleitverfahren der Gemeinde Rastede
Mai 2023: Die Gemeinde Rastede hat einen Flächennutzungsplan Windenergie in Auftrag gegeben und ihn vor kurzem der Öffentlichkeit präsentiert. Darin sind aufgeteilt auf acht Teilbereiche mögliche Standorte für WKA gesucht worden. Fünf davon befinden sich in den Rasteder Geestrandmooren Delfshauser, Hankhauser, Barghorner, Loyer und Ipweger Moor (Teilbereiche 4 - 8). Wir vom NABU lehnen aus Gründen des Klima-, Boden- und Arten- sowie Schutzes des Wasserhaushalts eine Bebauung der Rasteder Geestrandmoore mit Windenergieanlagen ab und veröffentlichen die entsprechende Stellungnahme unten.
Die Abgabefrist war mit dem 22. Mai 2023 bereits abgelaufen.
Stellungnahme des NABU Rastede vom 19.05.2023
NABU Rastede, Mühlenstraße 116, 26180 Rastede Gemeinde Rastede
Sophienstr. 27
|
Horst Lobensteiner
stellvertr. Vorsitzender 26180 Rastede Tel. +49 4402-8636493 E-mail: horst.lobensteiner@NABUrastede.de
per Mail
Rastede, 19.05.2023 |
Stellungnahme zur frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung an der Bauleitplanung der Gemeinde Rastede zum Teilflächennutzungsplan „Windenergie“
Sehr geehrte Damen und Herren,
im Zusammenhang mit der jetzt vorliegenden Flächennutzungsplanung weisen wir noch einmal auf unsere Stellungnahme vom 28.10.2022 zur Windkraftpotenzialstudie der Gemeinde Rastede hin. Offenbar waren die dort angeführten Hinweise zur Bedeutung unserer Rasteder Geestrandmoore für den Klima-, Natur- und Artenschutz und die immer bedeutender werdende Funktion als Wasserspeicher nicht ausreichend genug, um Ihrer Planung einer Überprüfung zu unterziehen. Aus diesem Grunde möchten wir noch einmal grundlegender auf verschiedene Details zur Bedeutung von Mooren im allgemeinen und der Rasteder Geestrandmoore im besonderen eingehen:
Moore bedecken nur drei Prozent der Landfläche unserer Erde. Dennoch ist in ihnen doppelt so viel Kohlenstoff gebunden wie in allen Wäldern weltweit. Etwa ein Drittel der terrestrischen Kohlenstoffvorräte lagert in Mooren. In Deutschland enthält eine 15 cm mächtige Torfschicht auf gleicher Fläche in etwa gleich viel Kohlenstoff wie ein 100-jähriger Wald. Das bedeutet, geht in einem Moor die Torfmächtigkeit um einen Meter zurück, müsste zum Ausgleich das Sechsfache an Fläche aufgeforstet werden und 100 Jahre ungestört wachsen können. Dabei oxidiert nicht nur der über Jahrtausende festgelegte Kohlenstoff und entweicht als klimaschädigendes Kohlendioxid (CO2) in die Atmo-sphäre, es entsteht auch Distickstoffmonoxid (Lachgas). Dessen Glo- bal Warming Potential (GWP) beträgt das 298-fache von CO2. Bei der Zerstörung der Moore werden dementsprechend in kürzester Zeit klimawirksame Gase emittiert, die vorher in 11.000 Jahren entstanden sind.
Zerstörte Moore setzen also in extrem kurzer Zeit enorme Mengen von klimawirksamen Gasen frei, die über Jahrtausende in den Mooren eingeschlossen waren. Den größten Teil an diesen menschengemachten klimaschädlichen Emissionen verursachen in Deutschland mit 84 % die Land- und Forstwirtschaft. Die extensive Nutzung von Mooren (neun Prozent) und der industrielle Torfabbau (sieben Prozent) sind für die übrigen nutzungsbedingten Klimagas-Emissionen verantwortlich.
Die von Ihnen präferierten Moorstandorte lt. Flächennutzungsplan Windenergie bestehen überwiegend aus extensiven Grünländereien auf nichtumgebrochenen Moorböden ohne Übersandung mit einer Torfauflage von mehr als 30 cm. Zur Umsetzung der nationalen und der niedersächsischen Moorschutzstrategie sowie des niedersächsischen Hochmoorschutzprogramms sind Moorflächen vor jeglicher Bebauung zu schützen. Die Flächen fallen bereits seit Jahrzehnten unter unterschiedliche Moorschutzprogramme des Landes, helfen die Regelungen des Klimaschutzgesetzes umzusetzen und sind schutzwürdig sowohl im Hinblick auf den Boden- als auch den Artenschutz.
Schon bei der Neubewertung der Daten aus den 1980-Jahren, sowie des Moorschutzprogrammes 1994 ist die Qualität unserer Moore dokumentiert und bestätigt worden. Der Schwerpunkt des Moorschutzprogrammes (Neubewertung 1994) liegt im Erhalt als Pufferzone bzw. eigenständigem Lebensraum für ein Feuchtgrünlandhabitat für Pflanzen und Tiere sowie seine Funktion für die Biotopvernetzung. Auf die Karte aus NIBIS auf dem niedersächsischen Umweltportal darf in diesem Zusammenhang verwiesen werden.
Bereits aus dem seit Ende 2022 erstellten Kartensystem mooris-niedersachsen.de ergibt sich das Vorgenannte unter Berücksichtigung der Grundkarte nebst Boden/Moorschutz und dem Schutz kohlenstoffreicher Böden und Moorbiotope sowie der Tatsache, dass in diesem Bereich auch das Projekt SWAMPS (Verfahrensanalysen und Handlungsoptionen zur Verminderung von Treibhausgasemissionen und zum Schutz von Mooren für landwirtschaftlich genutztes Grünland) in den Jahren 2015-2021 unter anderem vom Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) durchgeführt wurde, gefördert von der Europäischen Union, dem Thünen-Institut, der Landwirtschaftskammer Niedersachsen und der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg. Dabei sind u. a. die relevanten Daten bestätigt und ergänzt worden.
Bereits seit 1981 wird dokumentiert, dass die Hochmoorflächen unserer Rasteder Moore Teil des Moorschutzprogramms (Teil 1) des Landes Niedersachsen sind, da durchweg Torfmächtigkeiten von mindestens 30 cm und in der Regel von mehreren Metern vorhanden sind. Auf die entsprechende Karte in NIBIS wird verwiesen. Wie sich ebenfalls aus NIBIS ergibt, sind die hier betroffenen Flächen seit der landesweiten Biotopkartierung 1994-2004 als von landesweiter Bedeutung für den Artenschutz und das Ökosystem eingestuft worden und damit naturschutzwürdig. Dies wird zudem auf dem Server NUMBIS bestätigt. Die Flächen bestehen aus noch intakten, nicht abgetorften Hochmoorflächen, die nach dem LROP 2022 als Vorranggebiet Torferhalt geführt werden sowie teilweise aus einem Vorranggebiet für Natura 2000 Flächen sowie solche, die für den Biotopverbund vorgesehen sind. Der dauerhafte Erhalt der Torfkörper ist ein erheblicher Beitrag zum Klimaschutz, vgl. Mooratlas 2023, 28 ff, der zudem die Biotopvernetzung ergänzt.
Die Gebiete werden bisher fast vollständig als Dauergrünland genutzt. Die wenigen Flächen, die derzeit ackerlich genutzt werden, sind ebenfalls nicht tief umgebrochen, emittieren aber ein unzulässiges Maß an Treibhausgasen.
Wie sich aus dem Programm Niedersächsische Moorlandschaften aus 2014 erkennen lässt, muss und leistet Niedersachsen einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der nationalen
Klimaschutzziele Deutschlands, die im Rahmen der Weltklimakonferenz in Paris im Dezember 2015 untermauert worden sind. In erster Linie müssen die Kommunen die erforderliche Transformation hin zu
einer emissionsarmen Lebensweise umsetzen. Hierzu wird die Landesregierung mit den beabsichtigten integrierten Energie- und Klimaschutzprogrammen einen erheblichen Beitrag leisten. Es besteht
daher die Notwendigkeit, den Schutz von Mooren in Niedersachsen auf der Grundlage der Vorgaben des Umwelt- und des Wirtschaftsministeriums umzusetzen, was eine Nutzung für eine intensive
Landwirtschaft ebenso ausschließt, wie andere Nutzungsarten, mit der eine Verfestigung des Bodens einhergeht (Industrie- oder aber eben auch Windenergieanlagen); Vgl. neben den genannten
Nachweisen auch Mooratlas Seite 47.
Im Landkreis Ammerland betrug im Jahre 2020 der Beitrag der Treibhausgasemissionen 1 Million Tonnen CO2-Äquivalente, wobei zu berücksichtigen ist, dass in Niedersachsen das größte Potenzial für wiedervernässte Moorflächen in Norddeutschland liegt; Mooratlas Seite 40.
Allein für die wenigen Ackerflächen in den Moorgebieten ist festzuhalten, dass diese pro Terajoule erzeugte Maisenergie 880 Tonnen CO2-Äquivalente erzeugen bzw. 40 Tonnen CO2-Äquivalente pro Hektar, s. Mooratlas, Seite 38.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die gemeinsame vom Land beim Fraunhofer-Institut IEE und Bosch & Partner in Auftrag gegebenen Windpotenzialstudie Niedersachsen im Februar 2023 zu dem Ergebnis gelangt, dass Moore, also solche Flächen, die eine Torfauflage von 30 cm und größer haben, nicht als Windenergiepotenzialfläche geeignet sind.
Entsprechend der vorgenannten Vorgaben aus dem Moorschutzprogramm ist daher auch im Hinblick auf das Gemeinschaftsrecht, der Umsetzung der Biotoprichtlinie und der FFH-Richtlinie und des laufenden EU-Vertragsverletzungsverfahrens zum Aktenzeichen C-47/23 gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen fehlender Umsetzung der Habitatrichtlinie 92/43 EWG, wie der Biodiversitätsstrategie sowie des europäischen Green-Deal festzuhalten, dass eine Unterschutzstellung der Rasteder Hochmoorflächen angestrebt werden sollte. Die Auswertungen des SWAMPS-Projekts belegen, dass für den Erhalt des Moores auch ausreichend Bodenwasser zur Verfügung steht, sodass die klimatischen Bedingungen noch ausreichend sind, um den Schutz der Moore zu gewährleisten, wenn weitere Drainagemaßnahmen unterbleiben, vgl. auch Mooratlas 2023.
Da Moore durch jegliche Bodenbearbeitung stark, d. h. hoch gefährdet sind, unwiederbringlich durch Verdichtung zerstört zu werden, ist auch aus diesem Gesichtspunkt eine Unterschutzstellung angeraten.
Die Biotopqualität unserer Mooren sind z. T. von nationaler Bedeutung. Aus diesem Grunde sollte eine Ausweisungen als LSG bzw. NSG aus Bodenschutzgründen wie auch aus artenschutzrechtlichen und insbesondere vogelschutzrechtlichen Gesichtspunkten zumindest mittelfristig in Angriff genommen werden. Das höherrangige Recht des Landesraumordnungsprogramms (LROP), die Moorschutzprogramme, der Niedersächsische Weg sowie das Bundesklimaschutzgesetz und Gemeinschaftsrecht erfordern ein Umdenken in Richtung Schutzge- bietsausweisungen. Da aber ohne eine Wiedervernässung regenerationsfähiger Moorkörper die Klimaschutzziele auch sektorenübergreifend nicht erreicht werden können - Niedersachsen ist verpflichtet, jährlich 16.000 ha trockengelegte Moorfläche wieder zu vernässen, s. Bundesmoorschutzprogramm, als zusammenfassende Darstellung im Mooratlas Seite 34 ff. Gerade unsere relativ jungen Rasteder Geestrandmoore mit hohen Weißtorfanteilen und geringen Schwarztorfanteilen verfügen über hervorragende Speicherfunktionen für Wasser und die klimaschädlichen Treibhausgase CO2, Methan und Lachgas; Stichwort Kohlenstoffsenken. Somit sollte nunmehr der Zeitpunkt gekommen sein, den Schutz der letzten unzerstörten Moorkörper auch in unserem Landkreis entsprechend der landesrechtlichen Vorschriften umzusetzen.
Übrigens bewertet das NLWKN große Bereiche des Ipweger Moores wegen der dort vorherrschenden Grundstrukturen ähnlich wie die des FFH-Gebiets 14, Ipwegermoor/Gellener
Torfmöörte. Es handelt sich dort um die Lebensraumtypen nach Anhang I der FFH-RL 3150; 3160; 4010; 7120; 7140; 7150 und 91D0. Auch die Arten nach Anhang II wie
Teichfledermaus, Große Moosjungfer, Moorfrosch, Moltebeere und Zauneidechse sowie zahlreiche streng gemeinschaftsrechtlich geschützte Vogelarten (u. a. Kiebitz, Feldlerche,
Bekassine, Braunkehlchen).
Hingewiesen sei zuletzt noch auf das Aktionsprogramm „Natürlicher Klimaschutz“ des Bundesumweltministeriums mit vier Milliarden Euro. Hier heißt es: „Durch Renaturierung und Stärkung unserer Auen, Wälder, Moore oder Flusslandschaften, schützen wir nicht nur die Artenvielfalt, sondern auch noch unser Klima. Intakte Ökosysteme binden CO2 und sind damit unsere Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise. Außerdem sorgen wir so dafür, dass mehr Wasser in der Landschaft gehalten wird - eine Win-Win-Situation“.
Wir bitten um intensive Prüfung unserer Stellungnahme und verbleiben
mit freundlichen Grüßen
gez. Horst Lobensteiner
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