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Demo gegen Massentierhaltung u. TTIP/CETA/TISA

Bericht und Fotos H. Lobensteiner (7), K. Weinmann (2)

Kurz vor dem Reichstag, Foto H. Lobensteiner
Kurz vor dem Reichstag, Foto H. Lobensteiner

Berlin, 17.01.2015: Eine schier endlose Menschenmenge, ausgerüstet mit Plakaten und Fahnen gegen die industrielle Landwirtschaft, Gentechnik und Massentierhaltung, gegen die Freihandelsabkommen Europas mit den USA (TTIP) bzw. Kanada (CETA) sowie das Dienstleistungsabkommen TISA, wälzte sich unter dem Motto „Wir haben es satt“ vom Potsdamer Platz durch die Hauptstadt bis vor das Bundeskanzleramt. Vorbei am Bundesrat und den Vertretungen von Kanada, Frankreich und England wurde der Unmut der 50.000 Teilnehmer über die Politik der Bundesregierung mit Trillerpfeifen, Brass- und Percussionsbands sowie lautstarken Schlachtrufen (…wir haben es satt) zum Ausdruck gebracht. Nachdem die Veranstalter, Nichtregierungsorganisationen (campact), verschiedene Natur- und Umweltgruppen sowie die Vertreter von Bürgerinitiativen gegen Massentierställe und Ökobauern auf der Bühne am Potsdamer Platz ihre Statements abgegeben hatten, setzte sich ein langer Zug mit 90 (!) Treckern, die sogar aus Bayern und Schleswig-Holstein angereist waren, in Bewegung. Mit der Abschlusskundgebung vor dem Bundeskanzleramt mit einer an das trojanische Pferd erinnernden riesigen Tierplastik sowie einem Riesenschwein endete diese eindrucksvolle Demonstration. Bleibt die Hoffnung, dass sie zur politischen Umsetzung der Forderungen eines großen Teils der Bevölkerung beiträgt.

"Wir-haben-es-satt"-Demo am 16.01.2016 in Berlin

Kurzbericht und Fotos von Silke Lorenz, NABU Rastede

Am 16. Januar gingen in Berlin wieder tausende Menschen auf die Straße, um gegen industrielle Strukturen in der Landwirtschaft, die den familiengeführten mittelständischen Betrieben das (Über-) Leben immer schwerer macht, Boden und Grundwasser belastet und die biologische Vielfalt gefährdet, zu protestieren. Mit dabei sind Vertreter namhafter Organisationen aus Landwirtschaft, Imkerei, Natur-, Tier- und Verbraucherschutz, sowie die kirchlichen Organisationen "Brot für die Welt" und "Misereor".

 

Die Großdemonstration hat in diesem Jahr zum sechsten Mal, immer zeitgleich mit der  "Grünen Woche", einer Messe für konventionelle Ernährungswirtschaft, Landwirtschaft und Gartenbau, stattgefunden. Der BUND Ammerland organisierte auch in diesem Jahr  wieder einen Bus, mit dem knapp 70 Personen aus der Region nach Berlin fahren konnten.

Gastkommentar von Dr. Jutta Weinmann, Vorstandsmitglied der Initiative „Ärzte gegen Massentierhaltung“ der Stiftung Oldenburgisches Naturerbe:

 

Die Berichterstattung in der NWZ über die Demonstration am 16.01.2016 für eine bäuerliche

Landwirtschaft und gegen die Agrarindustie in Berlin wird dem Ereignis in keiner Weise

gerecht. Das Motto war: ,,Wir haben Agrarindustrie satt! Keine Zukunft ohne Bäuerinnen und

Bauern“. Diese Demonstration wurden von vielen landwirtschaftlichen, tierschützerischen sowie Natur- und Umweltschutzverbänden unterstützt und getragen.

Große Zustimmung und Beachtung fand die Rede von Ottmar Ilchmann (s. unten!), stellvertretender Bundesvorsitzender der ,,Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft“ (AbL) bei. Herr Ilchmann ist konventionell arbeitender Milchbauer aus Ostfriesland. Seine Rede zeigt, dass der Realitätsverlust eher beim Bundeslandwirtschaftsminister Schmidt und dem Bauernverband eingetreten ist als bei denen, die an dieser Veranstaltung teilgenommen haben. Es waren viele direkt Betroffene einer verfehlten Agrarpolitik anwesend; viele Bauem und Bäuerinnen (es waren übrigens mehr als 109 Traktoren), Imker, Naturschützer, Vertreter von „Brot für die Welt“ und „Misereor" u.a. Gerade die Letzteren können die Auswirkungen dieser Agrarpolitik durch die subventionierten Agrarexporte in die sogenannte „Dritte Welt“ eindrucksvoll schildern. Besonders betroffen machte die Rede eines Milchbauern aus Burkina Faso, dessen Existenz und die seiner Kollegen in seinem Dorf, die alle von der Landwirtschaft leben konnten, durch Exporte von Milchprodukten aus der EU in sein Land auf dem Spiel steht. ln die Länder des Südens wird durch die Agrarexporte der EU keineswegs der Hunger gestillt. Vielmehr werden die lokalen Märkte zerstört und die Kleinbauern ruiniert. Damit beginnt eines der Flüchtlingsprobleme (so viel zur Fluchtursachen- bekämpfung in dieser Region).

Den Hunger in der Welt werden wir nicht mit der intensiven Landwirtschaft mit ihrem

riesigen Input an Energie, den klimaschädlichen Emissionen, Unterstützung von Entstehung

multiresistenter Keime und importierten Futtermitteln beseitigen, sondern nur mit einer

Reduzierung des Fleischkonsums auf der nördlichen Welthalbkugel und durch eine an Klima

und Boden angepasste Landwirtschaft weltweit, die nachhaltig ist und Böden und

Grundwasser schützt.

Übrigens: Auch in der Veröffentlichung des Umweltbundesamtes vom 13.01.2016 wird ein Umsteuern gefordert.

 

Rede von Ottmar Ilchmann, stellverhetender Bundesvorsitzender der ,,Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft* (AbL) anläßlich der Demo „Wir haben es satt“ in Berlin am 16.01.2016

 

Hallo, liebe Freunde und Freundinnen der modernen Landwirtschaft! Das sage ich hier ganz

bewusst, weilja gerne unterstellt wird, diese Demo richte sich gegen die moderne

Landwirtschaft. Natürlich nicht, denn moderne Landwirtschaft, das ist nachhaltige,

bäuerliche Landwirtschaft, und dafür stehen wir alle hier ein. lch bin sehr froh, dass auch in

diesem Jahr wieder so viele Menschen im kalten Januar nach Berlin gekommen sind. Und ich

bin besonders froh, dass darunter wieder so viele Bäuerinnen und Bauern sind ! Das kann

man eindrucksvoll ablesen an der Zahl der Trecker, die hier gerade vorbeifahren. Vielen

Dank an alle, die bei schwierigen Witterungsbedingungen die weite Anreise auf sich

genommen haben. Als ich gestern Abend im Fahrerlager auf dem Gut Blankenfelde war,

wurde mir trotz des kalten Wetters angesichts der Entschlossenheit und Begeisterung

gerade vieler junger Bäuerinnen und Bauern warm ums Hez! Besonders stolz bin ich, dass

erstmals auch einige Fahrer aus Ostfriesland dabeisind. Wir sind im vergangenen Jahr schon

mit unseren Treckern nach München und nach Brüssel gefahren, und heute sind wir hier in

Berlin, um für unsere Höfe zu kämpfen.

Denn diese Bauernhöfe, für die die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft steht

und die von der übergroßen Mehrheit der Menschen gewünscht sind, sind akut in ihrer

Existenz bedroht! Wir befinden uns mitten in einer schweren Marktkrise, die Milchbauern,

aber auch die Schweinebauern müssen seit anderthalb Jahren ihre Produkte weit unterhalb

der Kostendeckung abliefern. Ausgelöst wurde diese Krise durch die verfehlte Politik der

Weltmarktorientierung. Uns Bäuerinnen und Bauern wurde von der EU-Kommission, der

Bundesregierung, dem Bauernverband und der Ernährungsindustrie das Blaue vom Himmel

herunter versprochen. Gerade den Milchbauern hat man nach dem Auslaufen der Quote

Hoffnungen auf eine weltweite Nachfrage nach unserer Milch gemacht. Die gibt es auch, sie

kann aber nur zu nicht kostendeckenden Weltmarktpreisen bedient werden. Profiteure sind

die großen Exportmolkereien, die uns Bauern nach der Vermarktung und dem Abzug der

Kosten nur das Restgeld auszahlen. Sie errichten ihre lmperien auf den Gräbern unserer

Höfel

Mittlerweile steht vielen Kollegen das Wasser bis zum Hals. Strukturwandel haben wir schon

lange, aber jetzt hat ein knallharter Strukturbruch begonnen. Und der wird von unserer

Bundesregierung gewollt und unterstützt. Zunächst hat Landwirtschaftsminister Schmidt die

Krise lange geleugnet, jetzt sitzt er sie bräsig aus. Manchmal möchte man ihn schütteln, so

ungerührt gibt er sich von der Not auf den Betrieben! Er weigert sich, das Übel an der

Wurzelzu packen und die Menge zu reduzieren. Stattdessen sucht er hilflos nach neuen

Exportmärkten, wobei er neuerdings den tran im Auge hat! Bei Milch könnte da ja noch was

gehen, aber die Exportmöglichkeiten für Schweinefleisch in den lran sind doch eher

begrenzt... Schmidt setzt weiter, genau wie die Bundeskanzlerin, auf Liberalisierung und

Globatisierung. TTIP wäre die Krönung dieser Politik und würde der bäuerlichen

Landwirtschaft den Todesstoß versetzen. Dagegen werden wir uns mit allen Mitteln wehren,

und dabei können wir auf die Wertschätzung und den Rückhalt der Gesellschaft setzen.

Deshalb bin ich sehr froh über das Motto der heutigen Demo: ,,Keine Zukunft ohne

Bäuerinnen und Bauern". Wir haben eure Unterstützung, und das macht uns Mut!

-Wir haben es satt, auf Dürren durch El Nino oder Blizzards in den USA zu hoffen, damit sich der Milchmarkt durch Naturkatastrophen und den Ruin von Kollegen auf anderen

Kontinenten bereinigt.

-Wir haben es satt, auf einen brutalen Verdrängungswettbewerb gegen Kollegen in

Deutschland und Europa, aber auch in den Ländern des südens zu setzen.

-Wir haben es satt, aus unseren Böden, aus den Tieren, aus unseren Mitarbeitern und nicht

zuletzt auch aus uns selbst das Letzte herauszuholen, nur um die Profite unserer

sogenannten ,,Partner in der Wertschöpfungskette" zu sichern.

lch möchte weiterhin meine Flächen so bewirtschaften, dass die Natur noch eine Chance

hat. lch möchte weiterhin meine Kühe artgemäß füttern und auf die Weide lassen. lch

mÖchte weiterhin keine billigen Rohstoffe für die Ernährungsindustrie erzeugen, sondern

hochwertige, gesunde Lebensmittel. lch möchte mir die Unterstützung und Anerkennung der

Gesellschaft erhalten. Deshalb fordern wir fairen Handel statt Freihandel und faire Preise

und Marktregeln für die Bauern!

Die Bundesregierung ist verantwortlich für die politischen Rahmenbedingungen, die zu

diesen Erzeugerpreisen führen. Mit ihrer Priorität auf Lebensmittelexporte für den

Weltmarkt zu Dumpingpreisen macht sie bäuerliche Strukturen und regionale Märkte für

Bauern hier und in der ganzen Welt kaputt.

Deshalb fordern wir Bäuerinnen und Bauern gemeinsam mit euch allen von Kanzlerin

Merkel und Minister Schmidt: Ändern Sie jetzt die Ausrichtung ihrer Landwirtschaftspolitik!

Stoppen Sie TTIP und CETA! Schluss mit der Überproduktion bei Fleisch und Milch! Treten Sie

für eine Qualitätsoffensive ein! Dann wird die Landwirtschaft hier und weltweit auch

weiterhin geprägt durch Bauernhöfe statt Agrarfabriken !

 

 

 

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